1900

 

Nach der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember d. Js. betrug die Einwohnerzahl 1644, darunter 785 männliche und 839 weibliche Personen.  Dem Religionsbekenntnisse nach waren 1547 Katholiken, 69 Evangelische, 28 Juden. Die Bewohner der Stadt lebten in 290 Haushaltungen von 2 und mehr Personen und 19 Haushaltungen von einzelnen Personen. Für die Unterkunft waren 208 Wohnhäuser vorhanden von denen 201 bewohnt und 7 unbewohnt waren.

Als Von dem ersten Jahre im 20. Jahrhundert ist hier nicht viel erfreuliches zu berichten. Zunächst war dieses Jahr sehr reich an Unglücksfällen.

Am 24. Juni, nach der St. Johannes-Prozession schlug der Blitz in das Haus des Landwirts Johann Conze (Kauers) am Neuenborn, so daß das ganze Haus vollständig niederbrannte. 

Am 8. Juli wurde der 30jährige Sohn des Landwirts Johann Tönnies auf dem Schützenfeste in Lütgeneder bei einer Schlägerei derartig zugerichtet durch Schädelverletzung, daß er am 16. Juli starb. Der Täter aus Lütgeneder erhielt vom Schwurgericht Paderborn eine Strafe von 1 ½ Jahren Gefängnis. 

Am 31. Juli ging der Tagelöhner Ignatz Rindermann in einem Anfalle von Geistesstörung in den neben seinem Hause auf dem Altengraben befindlichen Brunnen und starb kurz nachdem man ihn noch lebend herausgezogen hatte.

Auch kamen einige Fälle von ansteckenden Krankheiten – 4 Typhusfälle – vor. Diese Krankheit zeigte sich in fast allen Ortschaften des Kreises Warburg.

Die Ernte war in diesem Jahre weniger ertragreich infolge der herrschenden Mäuseplage.

Am Dieksberge wurden 188 Stück Obstbäume ausgepflanzt.

Die Kommunalsteuern wurden von 75 % auf 105 % der Staatseinkommensteuer, der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer erhöht.

 

1901

 

Auch in diesem Jahre trat noch die Typhus-Krankheit mehrfach auf; es kamen hier 8 Fälle vor.

Am 17. August wurden auf dem Gute Maihof, bei Aldorpsen zwei 16jährige polnische Arbeiterinnen in einer Mergelgrube verschüttet und als Leichen wieder herausgegraben.

Am 21. September wurde der Landwirt Ferdinand Gabriel von einem Pferde so unglücklich geschlagen, daß er starb.

Am Grundberge wurden in diesem Jahre 312 Stück Obstbäume angepflanzt.

Die Ernte an Winterfrucht war weniger gut, dagegen sind Sommerfrüchte gut geraten.

 

1902

 

Im April d. Js. verließ uns der Pfarrer Conrad Büsse, welcher hier seit 1887 höchst segensreich gewirkt und namentlich für die Innendekoration unserer Pfarrkirche viel getan, um die Pfarrei Ovenhausen Krs. Höxter zu übernehmen. An seine Stelle trat der bisherige Pfarrer von Meggen im Sauerlande, Herr Friedrich Stratmann.

Der Kaplan Müller wurde von hier nach Hyisburg in Sachsen versetzt, dafür Kaplan Hake von Witten nach hier.

Die armen Schulschwestern de notre dame vom Bredenkloster in Brakel gründeten hier eine Niederlassung, indem sie im September d. Js. in dem von ihnen auf einem vom Landwirt Heinrich Cloidt hergegebenen Grundstück an der Bergholzer Straße erbauten Gebäude eine Kleinkinderbewahrschule, Handarbeits- und Haushaltungsschule und Pensionat einrichteten.

Die Schützengesellschaft baute auf einem von der Stadt gekauften Platze am Lehmberge gegenüber der evangelischen Kirche ein Schützenhaus, in welchem die jährliche Feier des Schützenfestes stattfinden soll. Auch zu größeren Versammlungen und sonstigen Festlichkeiten wird das Haus zur Verfügung gestellt.

Am 24. August brannte das Haus des Landwirts Johann Markus auf der Gosse sowie die erst kurz vorher neu erbaute Scheune und Stallung vollständig nieder. Der Schaden war durch Versicherung größtenteils gedeckt. Wegen der mitunter schwierigen Heranschaffung des Löschwassers bei Bränden beschaffte die Stadt einen Wasserzubringer für 2824 M. Hiermit kann das Wasser durch Luftdruck auf größere Entfernungen schnell zur Spritze gebracht werden.

Die Ernte war in diesem Jahr eine gute.

Die erste Borgentreicher Schützenhalle (aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)
Die erste Borgentreicher Schützenhalle (aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)

 

1903

 

Aus diesem Jahre ist nichts besonderes zu erwähnen. Ernte mittelmäßig.

 

 

1904

 

In diesem Jahre wurde das städtische Cörbecker Bruch entwässert. Die Kosten beliefen sich auf rund 7000 M, wozu eine staatliche Beihülfe von 4000 M gewährt worden ist. Die Wiesen sind dadurch bedeutend ertragreicher gemacht.

Die Roggenernte war sehr gut, auch gab es viel Obst in diesem Jahre.

Mit dem 1. Dezember 1904 wurde hier eine ländliche Fortbildungsschule eingerichtet. Der Unterricht findet an drei Abenden in der Woche statt und steht unter Leitung des Hauptlehrers Fiorentini.

 

1905

 

Nach der in diesem Jahre stattgefundenen Volkszählung waren 1603 Einwohner vorhanden. Davon waren 784 männliche, 819 weibliche Einwohner. Der Religion nach verteilte sich die Einwohnerzahl auf 1530 Katholiken, 50 Evangelische und 23 Juden.

Am 14. Juni ertrank im Feuerteiche das zweijährige Söhnchen des Tischlermeisters Josef Frost.

Die Ernte war eine recht gute.

 

1906

 

Im Mai dieses Jahres war der Hochwürdigste Herr Bischof Schneider aus Paderborn hier, um das hl. Sakrament der Firmung zu spenden.

Von den Brüdern Anton und Josef Bartoldus wurde auf dem Lehmberge auf einem von der Stadt erworbenen Grundstück ein Dampfsägewerk mit mechanischer Schreinerei errichtet und in Betrieb gesetzt. Der Ziegeleibesitzer Franz Stamm erbaute an Stelle der alten Ziegelöfen auf seinem Besitztum am Cohfeldswege einen Ringofen, um den Ziegeleibetrieb ausgiebiger betreiben zu können.

Im Herbst dieses Jahres trat wiederum die Mäuseplage in den Feldern auf.

Ein Dampfkessel treibt das 1906 erbaute Sägewerk auf dem Lehmberg an. Ende der 1970er Jahre wird es abgerissen.  (Aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)
Ein Dampfkessel treibt das 1906 erbaute Sägewerk auf dem Lehmberg an. Ende der 1970er Jahre wird es abgerissen. (Aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)
Bürgermeister August Dissen (1907 - 1910)
Bürgermeister August Dissen (1907 - 1910)

1907

 

Anstelle des Bürgermeisters Sandmann, dessen Amtszeit am 7. August d. Js. ablief, wurde der Verwaltungssekretär Dissen aus Warburg am 23. Juli d. Js. zum Bürgermeister von Borgentreich gewählt und am 17. September in sein Amt eingeführt.

An der Volksschule wurde im Herbst d. Js. die fünfte Lehrkraft, eine Lehrerin angestellt, da die bisherigen 4 Klassen überfüllt waren. Es sind von jetzt ab 2 Lehrer und 3 Lehrerinnen hier tätig.

Am 4. Oktober brannte das Haus des Schneidermeisters Wolf auf der Gossenstraße vollständig ab. Die Ursache des Brandes ist nicht ermittelt.

Von großer Bedeutung war für die hiesige Gegend in diesem Jahre die Abhaltung des Kaisermanövers, dessen Schluß gerade in den Kreis Warburg fiel, so daß in der ersten Hälfte des September hier so viel Militär zusammen war, wie hier noch nicht gesehen. An einem der ersten Tage im September kam Ihre Majestät Kaiser Wilhelm II im Automobil durch Borgentreich, vom Volke freudig mit Hurrarufen begrüßt.

Auf den Feldern wurde viel Schaden durch die Truppen angerichtet, welcher aber zur vollen Zufriedenheit der Eigentümer nachher abgeschätzt und vom Staate bezahlt worden ist.

Besonders gut war die diesjährige Haferernte.

 

 

 1908

 

Am 15. Februar entstand in der Scheune des Wirtes Bollweg an der Mühlenstraße Feuer, welches bei dem herrschenden Sturme rasend um sich griff und bald die angrenzenden Häuser Hillebrand und Lostheim mit einäscherte sowie fast den ganzen oberen Stadtteil in Gefahr brachte. Dank des kräftigen Eingreifens der Bürger bei den Löscharbeiten wurde jedoch ein weiteres Umsichgreifen des Feuers verhindert.

Am 2. April brannte das Haus des Landwirts Anton Cloidt vollständig ab.

In beiden Fällen konnte die Entstehungsursache des Feuers nicht ermittelt werden.

Mit dem 1. Juli d. Js. wurde eine regelmäßige Omnibusverbindung für den Personen- u. Postverkehr zwischen hier und Bahnhof Eissen eingerichtet. Diese Einrichtung wird sehr viel benutzt, so daß auch der Unternehmer gut dabei auskommt. Für die Stadt bedeutet diese Einrichtung immerhin ein Fortschritt auf dem Gebiete des Verkehrswesens, wenngleich der Anschluß an das Eisenbahnnetz auch weiterhin noch erstrebt werden muß.

In diesem Jahre wurden die Häuser der Stadt neu nummeriert, indem sie straßenweise eingeteilt und innerhalb jeder Straße fortlaufend nummeriert wurden. An jeder Straße wurde ein Schild mit dem Namen der Straße angebracht, ebenso die Hausnummern gleichmäßig von der Stadt beschafft.

Das Holsterbruch und die Metzbergwiesen wurden durch Anlage von neuen Gräben entwässert und diese Wiesen dadurch ertragreicher gemacht.

Die Ernte an Winterfrüchten war gut, Sommergetreide hingegen lieferte wenig Ertrag infolge des sehr trockenen Sommers.

  

1909 

 

Der bisher verwahrlost liegen gelegene Platz um die Kirche herum (in früheren Jahrhunderten der Toten-Friedhof) wurde auf Anregung des Herrn Pastors und des Bürgermeisters mit einer dauerhaften und schönen Einfriedigung versehen. Sie besteht aus Sandsteinmauer mit aufstehendem Eisengitter, letzteres verfertigt von dem Schlossermeister Conrad Eickel in Paderborn. Die Gesamtkosten von ungefähr 7000 M wurden größtenteils durch freiwillige Beiträge aufgebracht, die Stadt selbst hat 3000 M bezahlt.

Am 12. Februar wurden die Scheunen des Tilly’schen Gutes am Emmerkertor ein Raub der Flammen; am 2. Juni brannte das Haus des Landwirts Karl Herbold an der Rischstraße nieder. Der Metzberg wurde als Weidehang für Rinder und Fohlen eingefriedet.

Die Ernte war eine mittelmäßige.

 

Bürgermeister August Funke (1910 - 1912)
Bürgermeister August Funke (1910 - 1912)

1910

 

Bei der diesjährigen Volkszählung am 1. Dezember waren in der Stadt 1685 Einwohner, davon 830 männliche, 855 weibliche.

Bewohnte Häuser gab es 315, unbewohnt 1. Auf Antrag mehrerer Bürger faßte die Stadtverordnetenversammlung am 27. April den Entschluß, die Zahl der Stadtverordneten von 8 auf 9 zu erhöhen. Das entsprechende Ortsstatut ist unterm 21. Mai vom Bezirksausschuß genehmigt. Die Wahl des neunten Stadtverordneten soll jedoch erst bei der regelmäßigen Ergänzungswahl 1911 erfolgen.

Am 15. Juni schied der Bürgermeister Dissen nach kaum 3jähriger Tätigkeit aus der Verwaltung der Stadt aus, um in seinen neuen Wirkungskreis als Bürgermeister der Stadt Geseke einzutreten.

Am 26. Juli wurde von der Stadtverordnetenversammlung der Gerichtsreferendar August Funke aus Paderborn zum Bürgermeister von Borgentreich gewählt und  nach Bestätigung durch den Herrn Regierungspräsidenten am 26. September durch den Kgl. Landrat Freiherrn von Schorlemer in sein Amt eingeführt.

Der Platz um die Kirche wurde mit schönen Wegeanlagen aus Tüdorfer Pflaster versehen, die dazwischen liegenden Flächen mit Rasen eingesäet, so daß der Kirchplatz mit seiner schönen Einfriedigung und seinen Anlagen jetzt eine Zierde der Stadt bildet.

Am 15. August brannte das Haus des Landwirts Hermann Stamm, Lehmtorstraße, vom Blitzschlag getroffen, bis auf den Grund nieder. Es ist dafür sogleich ein hübsches, modernes Haus errichtet.

Die Ernte war in allen Fruchtarten eine Mittelernte; die im Frühjahr sehr gut stehenden Halmfrüchte haben unter Hagelschlag etwas gelitten. Die Herbstsaat hatte unter Mäusefraß zu leiden.

Die Rindvieh- und Schweinezucht wird in stets wachsendem Umfange betrieben; eine Folge der guten Viehpreise. Es macht sich daher auch eine rege Tätigkeit in der Erneuerung und Vergrößerung der bisher sehr unzureichenden Stallbauten bemerkbar.

 

 

1911

 

Im Januar wurde hier durch 4 Franziskaner-Patres eine Volksmission abgehalten und zwar je 8 Tage für die Frauen und Jungfrauen sowie für Männer und Jünglinge. Es war erbaulich zu sehen, wie in diesen 14 Tagen die Kirche täglich drei mal mit Andächtigen überfüllt war, obschon nur die Borgentreicher Katholiken anwesend waren. Das kirchliche Leben hat damit einen gewaltigen Aufschwung genommen.

eine schon lange projektierte Rohrleitung vom Feuerteich durch die Gossen-, Lehmtor- und Hohlstraße wurde ausgeführt. Es ist hierdurch den Bewohnern des südlichen Stadtteils Gelegenheit zur Abführung ihrer Keller- und sonstigen Abwässer geschaffen. Besonders aber sind die bisherigen Übelstände der winterlichen Überschwemmungen und Vereisungen der Gossen- und Hohlstraße behoben sowie auch durch Anbringung von Schächten in der Rohrleitung eine bequeme und schnelle Heranbringung des Feuerlöschwassers erreicht. Die Kosten der Anlage von rund 3000 M sind zur Hälfte von den Anliegern der Straßen freiwillig aufgebracht, die andere Hälfte ist von der Stadt gezahlt.

Die Neutorstraße wurde nach dem Lehmberge hin weiter ausgebaut und durch Ankauf von Flächen aus den Gärten des Hospitals und der Kirchengemeinde bedeutend erbreitert.

Im Sommer dieses Jahres war eine anhaltende Dürre und große Hitze. Bei den Sommerfrüchten, namentlich Hafer war deshalb eine vollständige Mißernte, während Roggen, der infolge der Mäuseplage im letzten Herbst wenig gesäet war, verhältnismäßig gut war.

 

 

In der Rischstraße wird Elektrizität verlegt. 44 elektrische Straßenlampen ersetzen 1912 die alten Petroleumleuchten.  (Aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)
In der Rischstraße wird Elektrizität verlegt. 44 elektrische Straßenlampen ersetzen 1912 die alten Petroleumleuchten. (Aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)

1912

 

Am 31. Januar dieses Jahres erlitt der Bürgermeister Funke bei einer Automobilfahrt von Warburg nach Borgentreich einen tötlichen Unfall, indem das Automobil in einer Wegebiegung zwischen Hohenwepel und Haus Riepen gegen die Straßenbäume fuhr und die Insassen, worunter sich auch der hiesige Kaplan Heidemann befand, herausgeschleudert wurden. Der Herr Kaplan starb sofort, während Bürgermeister Funke am 4. Februar im Krankenhause zu Warburg seinen Verletzungen erlag und am 8. Februar auf dem Friedhofe zu Paderborn beerdigt wurde.

Am 18. April wählte die Stadtverordneten-Versammlung den bisherigen Beigeordneten, Kaufmann Lorenz Kukuk zum Bürgermeister. Die Wahl wurde jedoch von der Königlichen Regierung in Minden nicht bestätigt. Die Geschäftsführung des Bürgermeisteramtes blieb das ganze Jahr hindurch in Händen des Beigeordneten. –

Nachdem im vorigen Jahre der Ziegeleibesitzer Franz Stamm ein Elektrizitätswerk angelegt und die Versorgung der Stadt mit elektrischem Licht und elektrischer Kraft übernommen hat, wurde im September dieses Jahres auch die elektrische Straßenbeleuchtung in der Stadt eingeführt.

Anstatt der früheren 28 Petroleumlampen, welche nur ein spärliches Licht auf den Straßen verbreiteten, brennen jetzt 44 elektrische Lampen, wodurch eine hinreichende, gute und billige Beleuchtung der Straßen erzielt worden ist.

Die diesjährige Ernte war eine gute Mittelernte, Roggen Kartoffeln sind sehr gut geraten, unter dem Rindvieh herrschte mehrfach die Maul- und Klauenseuche, so daß am 15. Mai unsere Gehöfte polizeilich gesperrt werden mußten. Das ganze Stadtgebiet stand bis zum 15. Juni unter Beobachtung, um ein weiteres Umsichgreifen der Seuche zu verhindern. In dieser Zeit durfte kein Klauenvieh aus dem Stadtgebiet ausgeführt werden.

Am 13. September besuchte der Herr Oberpräsident der Provinz Westfalen, Prinz von Ratibor und Corvey auf einer Reise durch die Provinz auch unsere Stadt. Er besichtigte eingehend das Rathaus und die Kirche und fuhr sodann im Automobil weiter nach Warburg.

 Vom 28. bis 30. April weilte der Hochwürdigste Herr Bischof von Paderborn, Karl Josef Schulte in der Stadt, im Pastorat wohnend, um hier und Umgegend das Sakrament der Firmung zu spenden.

 

1913

 

Infolge der Nichtbestätigung des am 18. April v. Js. zum Bürgermeister der Stadt gewählten Beigeordneten Kukuk fand am 7. Januar 1913 eine nochmalige Wahl des Bürgermeisters statt. Gewählt wurde wiederum einstimmig der Beigeordnete Kukuk. Nachdem nunmehr die Bestätigung durch die Regierung in Minden erfolgt

war, wurde der neue Bürgermeister Kukuk am 13. Februar 1913 durch den Kgl. Landrat Freiherrn v. Schorlemer als Kommissar der Regierung in sein Amt eingeführt.

Am 1. Juli feierte der Hauptlehrer Fiorentini sein 25jähriges Lehrer- und Ortsjubiläum unter Beteiligung der städtischen und kirchlichen Körperschaften.

In derselben Weise wie im Jahre 1911 der südliche Teil der Stadt entwässert ist, wurde in diesem Jahre der nördliche Teil, Steinweg, Speckestraße vom Feuerteich aus mit einem Rohrkanal versehen. Die Arbeiten wurden von dem Maurermeister Martin Bartoldus hier ausgeführt. Die Gesamtkosten der Anlage belaufen sich auf etwa 7000 M, welche zu etwa 1/3 von den Anliegern freiwillig aufgebracht, und der Rest von der Stadtkasse bezahlt ist. Durch die erfolgte Bildung einer Egel-Wassergenossenschaft, in welcher alle Anlieger an der Egel von Aldorpsen bis Rösebeck zusammengeschlossen sind, wurde die Entwässerung des ganz versumpften städtischen Ritbruchs ermöglicht und dieses Grundstück in seinem Ertrage ganz bedeutend verbessert.

Am 30. Mai schlug der Blitz in das Haus der Witwe Landwirt Friedrich Herbold am Steinweg. Das Haus brannte vollständig nieder. 

Die Ernte war in diesem Jahre eine mittelmäßige.

 

1914 bricht der I. Weltkrieg aus. Aus Borgentreich werden in diesem Jahr 100 Mann - hier ein Foto von der Mobilmachung -  einberufen. (Aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)
1914 bricht der I. Weltkrieg aus. Aus Borgentreich werden in diesem Jahr 100 Mann - hier ein Foto von der Mobilmachung - einberufen. (Aus dem Buch "Alt Borgentreich in Bildern" von Bernhard Kösters)

1914

 

Das Jahr 1914 stand im Zeichen des Krieges. Durch die Ermordung des österreichischen Tronfolgers und seiner Gemahlin in Serajewo durch einen serbischen Staatsangehörigen kam es Ende Juli zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zur Kriegserklärung. Da gleichzeitig auch Rußland zum Kriege gegen Österreich rüstete, wurde auch das deutsche Heer infolge seines Bündnisses mit Österreich-Ungarn mobil gemacht.

Am 2. August wurde vom deutschen Kaiser die Mobilmachung befohlen. Sämtliche Reservisten und Landwehrleute mußten zum Kriegsdienst eintreten. Aus unser Stadt wurden in diesem Jahre 100 Mann einberufen.

Da infolge seines Bündnisses mit Rußland auch Frankreich mobilisierte und auch schließlich wie Rußland an Deutschland den Krieg erklärte, auch England sich bald auf die Seite der Feinde Deutschlands stellte, war Deutschland bald von Feinden rings umgeben und es erfolgte schon am 15. August der Aufruf des Landsturmes durch den Kaiser.

Am 2. Dezember war die erste Musterung des Landsturms der fünf jüngsten Jahrgänge. Am 6. Oktober mußten aus unserer Stadt 5 Reitpferde und 7 Zugpferde gestellt werden. Es wurden insgesamt noch 22 Pferde zum Preise von 1100 – 1600 M von der Heeresverwaltung bei den Pferdemusterungen am 2. 3. 4. u. 5. Oktober aus Borgentreich angekauft. 

Die Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung war eine sehr große umso mehr, als immer größere Siegesmeldungen von den Kriegsschauplätzen einliefen. Auch die Liebestätigkeit für die Krieger war sehr rege. Sammlungen wurden namentlich vom deutschen Verein vom Roten Kreuz veranstaltet. Es wurden 731 M Geldspenden und eine große Menge Lebensmittel, Zigarren, Tabak u.s. w. an die Kreissammelstelle in Warburg abgeliefert, am 11. September auch eine große Menge Leinen, Wäsche, Bettzeug und Wollsachen.

 An die 25 Familien der im Kriege befindlichen Kriegsteilnehmer wurden bis zum 

31. Dezember Familienunterstützungen in Höhe von insgesamt 3364,53 M gezahlt, die vom Reiche erstattet wurden.

Am 1. Dezember wurde von der Regierung eine Vorratsermittelung über Getreide und Mehl angeordnet und die Vorräte hiervon in jeder Haushaltung festgestellt.

Die Preise für Lebensmittel stiegen immer mehr, so daß für die meisten und wichtigsten Lebensmittel Höchstpreise festgesetzt wurden, die niemand überschreiten durfte.

Im Frühjahr dieses Jahres wurde auf der unteren Maschwiese eine Badeanstalt mit einem Kostenaufwande von 3000 M errichtet und eröffnet. Da diese hauptsächlich auch den Schulkindern dienen sollte, gewährte die Regierung einen Zuschuß von 1200 M.

Am 20. April brannte das Lagerhaus des Samenhändlers Max Münter am Mühlenberge ab, ohne daß die Brandursache ermittelt werden konnte.

Am 28. Dezember brannte das Haus des Tagelöhners Josef Bartoldus, Rischstraße, wahrscheinlich infolge Entzündung vom Schornstein ab.

Am 30. Dezember in den frühen Morgenstunden von 6 – 7 Uhr wurde die Stadt bei herrschendem Sturmwind von einer schweren Feuersbrunst heimgesucht, indem nach Ausbruch des Feuers in dem Hause des Schuhmachermeisters Josef Muhs Bogenstraße noch weitere 11 Wohnhäuser mit Nebengebäuden dem Feuer zum Opfer fielen und zwar die Gebäude

 

 1.) des Kaufmanns Josef Kukuk, Bogenstraße

 

 2.)   ײ   Landwirts   H. Conce Ww.

 

 3.)   ײ         ײ Albert Herbold

 

 4.)   ײ         ײ Wilhelm Trendes Ww. Marktstraße

 

 5.)   ײ         ײ Anton Trendes

 

 6.)   ײ         ײ Franz Kremper Ww.

 

 7.)   ײ         ײ Benard Geilhorn

 

 8.)   ײ          " Richard Dohmann Steinweg

 

 9.)   ײ         ײ Albert Berlage Ww.

10.)  ײ    Postboten   Anton Hartmann

11.)  ײ    Landwirts    Anton Conze Ww.

Von sämtlichen umliegenden Ortschaften wurde Löschhilfe geleistet. Der Schaden wurde größtenteils, da alle Gebäude und auch das Inventar versichert waren, durch Versicherung gedeckt.

Die Ernte wurde trotz der großen Zahl zum Kriege einberufener Männer und Jünglinge infolge des herrschenden guten Erntewetters leicht und gut eingebracht. Der Ertrag war befriedigend.

Großfeuer 1914

Auszug aus der alten Chronik im Original.
Auszug aus der alten Chronik im Original.
50 Jahre nach der Feuersbrunst ist dieser Bericht in der Westfalen-Zeitung erschienen.
50 Jahre nach der Feuersbrunst ist dieser Bericht in der Westfalen-Zeitung erschienen.

 

1915

 

Die bis jetzt vorhandene Hoffnung auf eine baldige siegreiche Beendigung des Krieges hat sich nicht erfüllt. Fast die ganze Welt tritt gegen Deutschland und Österreich, denen sich nur noch Bulgarien und die Türkei zugesellen, als Feinde auf. Selbst der bisherige Bundesgenosse Italien, geht zu den Feinden über und erklärt ebenfalls an Österreich den Krieg. Deutschland wird vollständig durch die englische Flotte von der Welt abgeschlossen und ist somit ganz auf seine eigenen Vorräte und Erzeugnisse angewiesen, wenn auch anfangs noch etwas ausländische Lebensmittel durch die neutralen Staaten Holland, Schweden, Dänemark und die Schweiz hereinkamen.

Das Reich traf denn auch einschneidende Bestimmungen, um mit den eigenen Vorräten und Erzeugnissen auszukommen. Im Januar wurde sämtliches Brotgetreide und Hafer beschlagnahmt. Das Verfüttern von Brotgetreide wurde verboten. Für jede Person durfte nur eine bestimmte Menge Brotgetreide und für jedes Pferd eine bestimmte Menge Hafer verbraucht werden, alles übrige unterlag der Ablieferung an die Reichsgetreidestelle. Zur Kontrolle der Verbraucher wurden Brotkarten und Mahlkarten eingeführt. Auch Kartoffeln wurden beschlagnahmt und im Frühjahr noch 1005 Ztr. aus der Stadt abgeliefert und in die Städte des Industriegebietes geschickt. Weiter erfolgte die Beschlagnahme von Heu. Die immer größeren Umfang einnehmende Kriegsführung erforderte denn auch immer mehr Mannschaften. Alles, was nur irgendwie tauglich ist, wird zum Heeresdienst ausgemustert. Es fanden Mannschafts-Musterungen in Warburg statt am 13. Januar, 4. Februar,

18. Februar, 2. März, 19. März, 10. Mai, 24. Juni, 11. Oktober und 23. November.

An 59 Familien von Kriegsteilnehmern wurden in diesem Jahre 16527,70 M Familienunterstützungen gezahlt, an 4 Wöchnerinnen, Frauen von Kriegern

280,50 M Kriegswochenhilfe.

Der Friedhof der katholischen Kirchengemeinde wurde durch Ankauf des angrenzenden Gartens der Witwe Anton Conze (Tönnies) um etwa ¾ Morgen vergrößert. Für den Garten von ½ Morgen Größe wurden aus der Stadtkasse

1500 M bezahlt.

Der im Jahre 1902 für den Bau einer Lourdesgrotte benutzte städtische Platz am Schierke soll laut Stadtverordnetenbeschluß vom 17. Dezember dauernd diesem Zwecke erhalten bleiben.

1916

Die Armen Schulschwestern geben 1916 ihr Schwesternhaus in Borgentreich auf. Das Gebäude wird Sitz der Amtsverwaltung.
Die Armen Schulschwestern geben 1916 ihr Schwesternhaus in Borgentreich auf. Das Gebäude wird Sitz der Amtsverwaltung.

Zu Anfang dieses Jahres waren insgesamt 245 Männer und Jünglinge zum Kriegsdienst eingezogen. Es fanden weitere Ersatz-Musterungen statt am

6. u. 7. März, am 31. August und 5. Oktober, wo immer wieder neue Mannschaften aus den bisher zurückgestellten Reklamanten, oder bisher nur für garnisondienstfähig oder arbeitsverwendungsfähig befunden ausgemustert und für den Kriegsdienst eingezogen wurden. Das Fehlen dieser besten Arbeitskräfte machte sich natürlich immer stärker fühlbar. Nicht selten sah man Frauen und Mädchen hinter dem Pflug und sonst schwere landwirtschaftliche Arbeiten verrichten. Aber alles war nur von dem einen Gedanken erfüllt, diese schwere Kriegszeit durchzuhalten und dem Vaterland zu dienen.

Als Ersatz für die fehlenden Arbeitskräfte wurden überall die zahlreich vorhandenen feindlichen Kriegsgefangenen beschäftigt. Am 8. Februar wurden auch nach hier 48 Kriegsgefangene Franzosen, Engländer und Belgier aus dem Kriegsgefangenenlager in der Senne bei Paderborn überwiesen. Sie wurden im Saale des Gastwirts Götte, der zu diesem Zwecke eigens eingerichtet war, untergebracht. Da die Landwirte anfangs noch mißtrauisch gegen die Verwendung waren, wurden sie zunächst größtenteils für städtische Arbeiten, namentlich zum Ausschlammen des Feuerteiches beschäftigt, später jedoch ganz in der Landwirtschaft.

Lebensmittel, Futtermittel wurden infolge des großen Bedarfs für das Heer und die großen Städte immer knapper und teurer. Kolanialwaren wie Kaffee, Reis, Gewürze u. dgl. waren fast gar nicht mehr zu haben. 4 Ztr. Fleisch wurden freiwillig und unentgeltlich an die Stadt Dortmund abgeliefert, ebenso eine ganze Eisenbahnladung Kartoffeln, Fleisch, Hülsenfrüchte an die Stadt Essen.

5000 Ztr. Kartoffeln wurden in diesem Jahre in die Industriestädte geliefert. Infolgedessen waren für Futterzwecke keine Kartoffeln mehr vorhanden und mußten deshalb viele Schweine vorzeitig abgeschlachtet oder billig verkauft werden.

Die Getreideernte war in diesem Jahre eine gute. Es wurde auch wieder Raps und Flachs angebaut, da ausländische Fette und Öle sowie baumwollene Stofrfe nicht zu bekommen waren.

Im Herbst herrschte starke Mäuseplage in den Feldern. Am 72 Kriegerfamilien wurden insgesamt 26988,71 M Unterstützungen gezahlt und 10 Wöchnerinnen 966,50 M Kriegswochenhilfe.

Am 18. September verkauften die armen Schulschwestern ihr im Jahre 1902 hier errichtetes Klostergebäude für 40000 M an das Amt Borgholz zum Verwaltungsgebäude, nachdem die Stadtverordneten den der Stadt angebotenen Ankauf abgelehnt hatten und wegen der eingetretenen Ernährungsschwierigkeiten und des geringen Besuchs der Klostereinrichtungen, Pensionat, Handarbeits- und Kinderbewahrschule, die Schwestern das Unternehmen aufgeben mußten.

 

 

1917

 

Der Weltkrieg, wie er nunmehr genannt wurde, forderte auch in diesem Jahre immer neue Mannschaften. Am 3. März wurden sämtliche gediente und ungediente Mannschaften, die in den Jahren 1869 – 1898 geboren und noch nicht gemustert eingezogen waren, gemustert. Am 12. April wurden schon die jungen Leute von 18 Jahren gemustert.

Da der Krieg sich immer mehr zum Stellungskrieg auf allen Kriegsschauplätzen in Nordfrankreich, Belgien, Rußland, Böhmen, auf dem Balkan  und in Nord-Italien entwickelt hatte und die Mannschaften so oft monatelang in einer Stellung lagen, wurde von Seiten der Heeresleitung soviel wie möglich den vielen Reklamationen aus der Landwirtschaft um Beurlaubung oder Entlassung  von zu Hause dringend notwendigen Leuten stattgegeben und so in etwa das Brachliegen der Felder infolge fehlender Arbeitskräfte verhindert.

Der Mangel an Kunstdünger, welcher durch die starke Inanspruchnahme der deutschen Stickstofferzeugung für die Munitionsfabriken hervorgerufen wurde, sowie die große Trockenheit im Vorsommer dieses Jahres ließen die Ernteerträge sehr zurückgehen. Die Erntezeit selbst war in diesem Jahre naß. Kartoffeln und Futterrüben sind jedoch gut geraten, so daß von ersteren eine noch größere Menge als im vorigen Jahre abgeliefert werden mußte.

In diesem Jahre wurde auch sämtliches Schlachtvieh beschlagnahmt und mußten jede Woche durchschnittlich 10 – 20 Stück aus unserer Stadt abgeliefert werden. Für den eigenen Bedarf durfte nur mit besonderer Erlaubnis der Ortsbehörde geschlachtet werden.

An 67 Kriegsfamilien wurden 34795,70 M Unterstützungen gezahlt, an

7 Wöchnerinnen 968 M Wochenbeihilfe.

 Das Holz in den Wäldern der Umgegend, aus denen früher die hiesigen Einwohner ihr Brennholz kauften, wurde meistens als Nutzholz für Kriegszwecke benutzt, ebenso waren Kohlen infolge des starken Gebrauchs der Eisenbahn und der Kriegsschiffe immer weniger zu haben, sodaß allgemeiner Mangel an Brennmaterialien eintrat. Um diesen Mangel in etwa zu steuern, wurden die am Galgenberge stehenden Kiefern ganz abgehauen und als Brennholz an die Einwohner verkauft.

Am 12. August wurde die drittgrößte Glocke, die im Jahre 1863 gegossene Marienglocke mit dem Ton cis vom Turm heruntergenommen, um zur Verwendung des Bronzematerials für Kriegszwecke zwangsweise an das Reich abgeliefert zu werden.

 

1918

 

 Am 12. Januar und 28. Februar fanden wieder Pferdemusterungen statt, wobei 3 Pferde aus der Stadt genommen wurden.

 Am 23. April wurden die im Jahre 1900 geborenen jungen Leute zum Kriegsdienst gemustert.

Am 23. Mai wurden in sämtlichen Häusern die Getreidevorräte durch ein Truppenkommando revidiert und alles, was über den eigenen Bedarf hinaus noch vorgefunden wurde, weggenommen.

Am 24. April wurde in der Pfarrkirche durch den Weihbischof Hähling von Langenauer das Hl. Sakrament der Firmung gespendet.

Es war ein trockener Sommer in diesem Jahre. Die Ernte war eine mittelmäßige.

An 59 Kriegerfamilien wurden 39920,27 M Familienunterstützung gezahlt und an

13 Wöchnerinnen 2088,25 M Kriegswochenhilfe.

Von den Ziegeleibesitzer Franz Stamm wurde eine Ölmühle eingerichtet und so den Landwirten, die Ölfrüchte anbauten, Gelegenheit gegeben, das Öl hier schlagen zu lassen.

Die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung wurde durch die lange Kriegsdauer immer mehr gedrückt, da die Ablieferungen für das Heer und für die Städte noch zunahmen. Sogar ein Teil des geernteten Obstes mußte an die Marmeladefabriken abgeliefert werden.

 Es war deshalb natürlich, daß überall das Ende des Krieges, der Frieden herbeigesehnt wurde. Besonders machte sich dies Verlangen infolge der schlechten Ernährungsverhältnisse, in den großen Städten, in der Industrie und schließlich auch im Heere immer mehr bemerkbar. Die oberste Heeresleitung sah sich unter diesen Umständen außerstande, den Krieg weiter und zu einem siegreichen Ende zu führen. Es wurden Waffenstillstandsverhandlungen eingeleitet. Währende diese noch schwebten, war aber die Empörung in den Städten schon so hoch gestiegen, daß am 7. November die Revolution ausbrach. Überall in den Städten und auf dem Lande bildeten sich Arbeiterräte, im Heere Soldatenräte, welche nun die Regierung übernehmen sollten.

Unter diesen Verhältnissen fielen denn auch die Waffenstillstandsbedingungen am 11. November äußerst ungünstig für Deutschland aus. In ganz kurzer Zeit mußte das ganze besetzte Gebiet in Frankreich und Belgien geräumt werden, so daß das meiste Kriegsmaterial und Lebensmittelvorräte in Feindesland verblieben oder vernichtet wurden. Die Truppen strömten in großen Massen in die Heimat zurück. Auch in unserer Stadt kamen im Dezember viele Truppen durch. Alles was entbehrt werden konnte, wurde unterwegs verkauft oder einfach stehen gelassen. Hier wurden am 14. Dezember 3 zurückgelassene Dienstpferde für 80, 200 und 840 M verkauft, ebenso eine stehengebliebene Feldküche als altes Eisen verkauft.

In größeren Orten wie Warburg, Paderborn und Cassel wurden große Mengen von Kriegsmaterial versteigert. Die meisten hiesigen Landwirte haben dort sehr billig Pferde, Wagen, Geschirre, Decken u. dgl. gekauft.

Der Krieg war nun vorüber. Nicht weniger als 328 Männer und Jünglinge aus unserer Stadt haben daran teilgenommen, davon sind 56 den Heldentod gestorben, 17 waren in Gefangenschaft, 16 sind mit Verstümmelungen oder Beschädigungen in die Heimat zurückgekommen.

1919

Wenn man im vorigen Jahre der Meinung war, nun durch die Beendigung des Krieges würden sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder bessern, so brachte dieses erste Jahr nach dem Kriege große Enttäuschung in dieser Hinsicht. Die zurückgekehrten Mannschaften fanden nur zum Teil wieder lohnende Beschäftigung und eine große Anzahl trieb sich bettelnd und handelnd auf dem Lande umher.

Die Lebensmittel waren in den Städten sehr knapp und immer teuerer, aus allen Städten, namentlich aus dem Industriegebiet kamen täglich ganze Trupps von bettelnden und Lebensmittel aufkaufenden Erwachsenen und Kindern. Auch Diebstähle an Lebensmitteln, Wäsche u. dgl. kamen häufig vor. Die herrschende Unsicherheit führte zu dem Entschluß, auch hier wie in fast allen Orten eine Bürgerwehr einzurichten, die nachts die Straßen bewachen sollte. Die Bildung ist jedoch unterblieben, da diese Wehren von den früheren Feinden Deutschlands als eine Umgehung der inzwischen aufgehobenen allgemeinen Wehrpflicht angesehen und nicht geduldet wurden.

Die Landwirte litten weiter unter dem noch verstärkten Druck der Ablieferungspflicht von Vieh, Milch, Butter, Eier und Getreide. Die Erbitterung hierüber wurde umso größer, als die privaten Aufkäufer, Schleichhändler oder Hamsterer, wie sie genannt wurden, immer höhere Preise boten, als die für die Ablieferung festgesetzten Höchstpreise.

Auch die Mühlen wurden scharf kontrolliert, damit kein Korn ohne Genehmigung gemahlen und Mehl verkauft wurde. Die beiden Mühlen von Lücke (Hagenmühle) und Stamm (Heidenmühle) wurden einmal amtlich geschlossen, weil sie gegen die Verordnungen der Regierung verstoßen hatten. Die Bevölkerung protestierte jedoch hiergegen, indem sie in einem langen Zuge vor das Rathaus kam und die Öffnung der Mühlen verlangte. Auch die Stadtverordnetenversammlung protestierte in einem Telegramm an den Regierungspräsidenten in Minden, worauf nach einigen Tagen die Mühlen wieder geöffnet wurden.

Eine Anzahl der zurückgekehrten Krieger wurden auf dem Ritbruch mit der Anlage von Abzugsgräben in den Sümpfen beschäftigt, um diese Sumpfflächen trocken zu legen.

Am 16. Februar fand im großen Saale des Gastwirts Götte die öffentliche Begrüßungsfeier der heimgekehrten Krieger statt, wobei die Krieger auf Kosten der Stadt mit 253 Ltr. Bier und 600 Stück Zigarren bewirtet wurden.

An 3 Familien noch in Gefangenschaft befindlicher Krieger wurden 3532 M Unterstützungen gezahlt.

Am 28. Juni d. Js. wurde zu Versailles der sogenannte Friedensvertrag – in Wirklichkeit war es ein diktat der feindlichen Mächte – unterzeichnet, der für Deutschland so überaus demütigend und verlustbringend war. Damit war der Weltkrieg endgültig beendigt. –

Im Sommer d. Js. wurde von dem Bildhauer Clemens Brilon ein Buch über geschichtliche Nachrichten aus Stadt uind Pfarrei Borgentreich herausgegeben. Die Stadt leistete zu den Druckkosten einen Beitrag von 200 M.

Die im Jahre 1911 auf dem unteren Masch erbaute Badeanstalt wurde in diesem Jahre wegen Mangel an genügendem und gutem Wasser wieder abgebrochen und das Material verkauft. Der Erlös brachte reichlich die Anlagekosten wieder auf.

Die Ernte war eine befriedigende. Im Herbst trat starke Mäuseplage und später anhaltend nasses Wetter auf, so daß nur wenig Winterfrucht bestellt werden konnte.

Wegen der veränderten politischen Verhältnisse wurden von der Regierung auch neue Gemeindewahlen angeordnet. Das bisherige Dreiklassensystem kam in Wegfall; es wurde nach dem demokratischen Verhältniswahlsystem mit gleichem Stimmrecht für alle über 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Einwohnern in geheimer Wahl gewählt. Anstatt der bisherigen 9 Stadtverordneten bestand die Stadtverordnetenversammlung jetzt aus 12 Mitgliedern.

1920

 

 Auf Grund des Friedensvertrages vom 28. Juni 19 mußte in diesem Jahre noch viel Vieh an die früheren Feinde Deutschlands abgeliefert werden.

Am 26. März fand deshalb eine Pferdemusterung in Warburg statt, bei welcher auch aus unserer Stadt eine Anzahl Pferde zur Ablieferung aufgeschrieben wurden. Infolge der allgemeinen Reklamationen der Landwirte ging das Reich schließlich zum freihändigen Aufkauf der benötigten Pferde und auch Rindviehs durch Vermittlung der Händl. über.

Ferner mußten sämtliche in den Händen der Einwohner befindlichen Militärwaffen abgeliefert werden.

An Familienunterstützungen wurden an 1 Kriegerfamilie noch 120 M gezahlt.

In diesem Jahre wurde zunächst die Zwangsbewirtschaft mit Fleisch wieder aufgehoben.

Da es den minderbemittelten Familien kaum mehr möglich war, das teuere Schuhwerk zu bezahlen, wurden vom Reiche Schuhe zu verhältnismäßig billigen Preisen an die Bevölkerung verteilt.

Wegen der großen Kohlenlieferungen an Frankreich und Belgien waren hier Kohlen sehr knapp und teuer. Es wurde vielfach anstelle von Steinkohlen Torf aus Oldenburg und Braunkohlen von Immenhausen bei Cassel bezogen. Aus den von Spiegel’schen Waldungen am Ranzenberge bei Manrode wurden seitens der Stadt 1367 cbm Scheitholz zu 60 M das cbm und 806 cbm Knüppelholz zu 25 M das cbm erworben und an die Einwohner verteilt. Infolge des Steinkohlenmangels konnten auch die Ziegeleien keine oder nur wenig Steine brennen. Die Stadt ließ deshalb Bausteine im städtischen Steinbruch am Masch brechen und gab sie an Baulustige ab. Es wurden ganze Gebäude aus Bruchsteinen hergestellt.

Im Mai herrschte hier sowohl wie im ganzen Kreise Warburg die Maul- und Klauenseuche unter dem Rindvieh.

Die Ernte bestand hauptsächlich aus Sommerfrucht, da Winterfrucht, Roggen und Weizen infolge Mäuseplage im vorigen Jahre und schlechtem Wetter während der Bestellzeit nur etwa zur Hälfte der sonstigen Fläche angebaut war. Da auch dieses Jahr ein trockenes und kaltes Frühjahr hatte, war der Ernteertrag nur mittelmäßig.

Es mußte auch in diesem Jahre alles, was über den eigenen Bedarf hinaus geerntet war, zu Höchstpreisen an die Reichsgetreidestelle durch den Kommunalverband Warburg abgeliefert werden.

Am Erkern wurden auf der abgeholzten Fläche des kleinen Stadtwaldes 10000 Stück Fichtenpflanzen wieder angepflanzt.

Am 1. April d. Js. wurde hier eine städtische höhere Knabenschule, eine sogenannte Rektoratschule mit 5 Klassen von Sexta bis U. Tertia eingerichtet. Der Unterricht wurde zunächst in den beiden Räumen der Freibank am Spritzenhause mit 29 Schülern, wovon 20 in Sexta und 9 schon durch Privatunterricht bei Herrn Kaplan Rehbaum vorgebildete Schüler in U. Tertia von 2 Lehrern unterrichtet wurden.

Gleichzeitig wurde das sogenannte steinerne Haus, welches bisher als Getreidelager gedient hatte, zu Schulzwecken umgebaut und im Herbst die Rektoratschule hier untergebracht.

 

1921

 

Die wirtschaftliche Lage hat sich auch in diesem Jahre wenig verändert. Die Landwirtschaft hatte weiter unter dem Druck der Zwangswirtschaft zu leiden.

Anstelle der früheren Ablieferungspflicht sämtlichen übrigen Getreides wurde in diesem Jahre die sogenannte Getreideumlage eingeführt, indem von jeder Gemeinde eine bestimmte Menge geliefert werden mußte un diese von einer Gemeindekommission auf die einzelnen Betriebe umgelegt wurde. Unsere Stadt hatte 10112 Ztr.  Brotgetreide abzuliefern, welche nach Maßgabe der Größe der Betriebe und der in denselben vorhandenen Personenzahl verteilt wurden. Abgeliefert wurden insgesamt 9196 Ztr. Der Rest wurde der Stadt auf Reklamation erlassen. Für Roggen wurden 105 M und für Weizen 115 M je Ztr. bezahlt, also das dreizehnfache, wie vor dem Kriege mit durchschnittlich 8 M je Ztr. (Papiermark!)

Am 13. April feierte der Ortspfarrer und Landdechant Friedrich Stratmann sein 50jähriges Priesterjubiläum unter Teilnahme der ganzen Gemeinde. Die Stadt schenkte aus diesem Anlaß für 3000 M neue Paramente, welche von den Franziskanerinnen in Salzkotten angefertigt waren, zum Besten der Kirche.

Es wurde in diesem Jahre eine freiwillige Feuerwehr gegründet, der gleich

50 Männer und Jünglinge beitraten.

Aus den von Spiegel’schen Waldungen in Lichtenhagen wurden wieder 346 rm Scheitholz zu 60 M und 120 rm Knüppelholz zu 25 M je rm, ebenso 275 rm Scheitholz aus den staatlichen Forsten bei Manrode an die Stadt geliefert und an die Einwohner verteilt.

1922

 

Die in den Jahren seit dem Weltkriege besonders hervorgetretene Teuerung aller Gegenstände schritt in diesem Jahre noch schneller fort. Die Regierung suchte der Not des Volkes Herr zu werden, indem sie immer mehr Papiergeld drucken ließ und verausgabte. Es trat die sogenannte Inflation ein. Infolge der Teuerung aller lebensnotwendigen Artikel rief die Arbeiter- und Beamtenschaft nach immer höheren Arbeitslöhnen und Gehältern und wenn diese bewilligt waren, folgte meistens auf dem Fuße eine neue Preissteigerung aller Waren.

Am Anfang des Jahres betrug z. B. der Stundenlohn eines hiesigen städtischen Arbeiters 6 M und am Ende des Jahres 100 M.

Wer Lebensmittel und sonstige Sachen, Kleidungsstücke, Schuhe u.s.w. zu verkaufen hatte, verkaufte sie meistens erst dann, wenn er unbedingt Geld gebrauchte, weil das was heute verkauft wurde, morgen schon vielleicht das Mehrfache kostete. Für Arbeiter, Beamte und Berufe, die nur auf bares Einkommen angewiesen waren und alles kaufen mußten, war dies eine Zeit der Not. Nur die Landwirte blieben einigermaßen kaufkräftig, da sie für ihre Erzeugnisse hohe Preise erhielten. Die alten Schulden wurden jetzt mit Leichtigkeit abgetragen, oft mit dem Erlös für einige Eier. Andererseits wurde allerdings auch die Landwirtschaft mit sehr hohen Steuern belastet, besonders drückend wurde in diesem Jahre die Getreideumlage empfunden, die auch in diesem Jahre im Interesse der Brotversorgung für die minderbemittelte Bevölkerung noch einmal ausgeschrieben war.

Trotzdem die Ernte in diesem Jahre schlecht ausgefallen war infolge des kalten und trockenen Vorsommers, sollten aus der Stadt 8380 Ztr. Brotgetreide abgeliefert werden. Auf viele Reklamationen hin wurde diese Menge schließlich ermäßigt auf 6800 Ztr. unter der Bedingung, daß die Ablieferung bis zum 31. Dezember erfolgt sei. Die Mehrzahl der hiesigen Landwirte lieferte die ihnen aufgelegte Menge rechtzeitig ab, einige jedoch, denen es trotz guten Willens oder auch wegen Mangel an gutem Willen nicht mehr möglich war, die ganze verlangte Menge zu liefern, mußten für jeden nicht gelieferten Zentner Roggen 90000 M in Geld bezahlen.

Im Sommer d. Js. ließ die Stadt ein eigenes Ortsnetz für die elektrische Stromversorgung seiner Einwohner durch die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft Berlin, Zweigstelle Cassel, mit einem Kostenaufwande von Fünfmillionen Mark anlegen und schloß sich an das Überlandwerk Edertalsperre in Cassel zum Strombezug an, da die bisherige Versorgung der Stadt mit Elektrizität durch das private Elektrizitätswerk des Ziegeleibesitzers Franz Stamm sehr mangelhaft war und Stamm auch wegen Preisdifferenzen im Mai aufgehört hatte, elektrischen Strom zu liefern. 

Im Juni wurde das Turmkreuz mit Kugel und Hahn vom Turm der Pfarrkirche heruntergeholt, weil die Kreuzstange durchgerostet und schief gebogen war. Das Kreuz wurde durch Schmiedemeister Anton Bartoldus erneuert, Kugel geputzt und Hahn bronziert. Dachdecker Franz Ostermann aus Natingen, der die Abnahme vorgenommen, brachte alles in bester Ordnung am Tage vor Johanni auf der Turmspitze wieder an.

1923

 

Der Verfall der deutschen Währung ging in diesem Jahre sprungartig voran. Der Stundenlohn der städtischen Arbeiter betrug z. B. am 1. April 300 M, am 1. Mai

600 M, im Juni 2000 M, im Juli 5000 M und ging schließlich in die Millionen und Milliarden.

Die meisten, Handwerker, Geschäftsleute, Dienstboten u. dgl. ließen sich ihre Leistungen in Roggen bezahlen.

Am 1. November wurde von der neugegründeten Rentenbank in Berlin, welche von der gesamten Industrie und Landwirtschaft des Reiches garantiert war, neues Geld, die Rentenmark, in Verkehr gebracht. Damit trat eine große Entspannung im Geldverkehr ein; das neue Geld wurde gern genommen. Eine Rentenmark war gleich einer Billion Papiermark. Die Millionen- und Milliardenzeit war vorüber.

Am 1. Januar d. Js. trat der Stadtkassenrendant Cloidt, welcher seit dem

1. Juli 1892 die Stadtkasse geführt hatte, in den Ruhestand. An seiner Stelle wurde der bisherige Kassenassistent Karl Rengel  am 26. Januar Februar zum Stadtkassenrendanten gewählt.

Im Sommer d. Js. wurde das „steinerne Haus“ für Zwecke der Rektoratschule weiter ausgebaut, sodaß jetzt 5 Klassenzimmer und 1 Lehrerzimmer vorhanden sind.

Am 4. März d. Js. spendete der Hochw. Herr Bischof Caspar Klein in hiesiger Pfarrkirche das Sakrament der Firmung.

Die Getreideernte war in diesem Jahre eine mittelmäßige.

1924

 

Durch anhaltenden Regen in der Erntezeit ist die ganze Ernte größtenteils verdorben und hat auch nur geringen Ertrag geliefert. Es konnte fast nichts von Getreide verkauft werden. Infolgedessen waren die Einnahmen der Landwirte so gering, daß sie nicht mehr die hohen Steuern zahlen konnten. Diese wurden denn auch vom Kreise zum Teil gestundet und erlassen.

Am 4. Mai fanden Neuwahlen der Stadtverordnetenversammlung statt.

Am 14. Juni fand hier unter Beteiligung sämtlicher Wehren des Kreises Warburg das Kreis-Feuerwehr-Verbandsfest statt. Tags zuvor am späten Abend brannte das Wohnhaus des Landwirts Heinrich Hagen am Mühlentor vollständig ab, wobei die hiesige freiwillige Feuerwehr zum ersten Male in Tätigkeit trat.

Im Sommer d. Js. wurde die Orgel in der Pfarrkirche durch die Orgelbaumeister Gebr. Döhre aus Warburg vollständig umgebaut. Die ganze alte ausgespielte mechanische Traktur wurde herausgenommen und durch eine pneumatische (Luftdruckröhrenwerk) ersetzt. Ein vollständig neuer Spieltisch wurde eingebaut und das ganze Werk mit 44 klingenden Registern auf den Normalkammerton umgestimmt und intoniert, sowie ein elektrisches Gebläse angelegt. Von den Gesamtkosten von rund 5000M sind etwa 1500 M durch freiwillige Gaben aufgebracht; das übrige ist von der Stadtkasse bezahlt.

Im Winter wurde von seiten des Kreises Warburg die Zwangs-Fortbildungsschule eingerichtet, die von allen schulentlassenen Knaben bis zum 18. Lebensjahre bes an den Wochenabenden je 2 Stunden besucht werden muß.

Die Kreis- und Stadtsparkasse Warburg richtete im Hause des Gastwirts de Neer eine selbständige Zweigstelle ein.

Von der Postverwaltung wurde im Sommer eine Automobilverbindung zur Personenbeförderung nach Bahnhof Eissen und später auch nach Warburg eingerichtet.

1925

 

Am 2. Januar wurde der Bürgermeister Kukuk von der Stadtverordnetenversammlung auf weitere 12 Jahre wiedergewählt.

Die Winkelstraße wurde in den ersten Monaten des Jahres kanalisiert.

Vom 12 – 18. März wurde vom Lehrer Knaup aus Oesdorf auf Veranlassung des Landrats von Warburg ein Obstbaukursus abgehalten, an dem sich 70 Personen beteiligten.

Am 1. Juli trat Herr Pfarrer und Landdechant a. D. Stratmann in den Ruhestand, nachdem er hier seit 1901 höchst segensreich gewirkt hat. Er behielt seinen Wohnsitz in der oberen Etage des Pastorats.

Am 19. September verließ uns auch Herr Kaplan Michels nach 6jähriger hiesiger Tätigkeit; er wurde als Pfarrvikar nach Riesel bei Brakel versetzt.

Als neuer Pfarrer wurde am 13. September der bisherige Pfarrer von Dössel, Herr Dr. Meyer eingeführt und als neuer Kaplan der schon bei Herrn Dechant Stratmann als Cooperator tätig gewesene Herr Vikar Holtkamp von der bischöfl. Behörde ernannt.

Im September wurde die ganze Speckstraße neu mit Basalt eingewalzt. 

Feuer!  Am 16. November brannte das Wohnhaus des Arbeiters Johannes Schäfers, Hagenstraße 1, vollständig ab, ohne daß die Entstehungsursache des Brandes festgestellt werden konnte.

In diesem Jahre war eine ganz vorzügliche Getreideernte. Roggen lieferte

15 – 20 Ztr. pro Morgen. Die Preise waren dagegen niedrig; es kostete Roggen etwa 8 M und Weisen 12 M pr. Ztr.

Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich am 17. April, indem der 16jährige Sohn des Landwirts Heinrich Hagen in der der Lehmgrube des Landwirts Josef Herbold an der Dinkelburger Straße vollständig verschüttet wurde und nur noch als Leiche aus den abgerutschten Lehmmassen ausgegraben werden konnte.

Nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925 betrug die Einwohnerzahl 1716, davon 867 männliche und 849 weibliche.

1926

 

Die seit dem 1. April 1920 bestehende städtische Rektoratschule hörte mit dem gleichen Tage d. Js. als städtische Anstalt zu bestehen auf, da die Stadtverordnetenversammlung es abgelehnt hatte, einen weiteren städtischen Zuschuß, der sich auf jährlich etwa 2000 M belief, zu zahlen.

Es bildete sich aus der interessierten Elternschaft von Borgentreich und Umgegend ein Rektoratschulverein, welcher nunmehr eine Privatschule einrichtete und wozu die Stadt das bisherige Schulgebäude mit Inventar zur Verfügung gestellt hat.

F. Am 20. April 6 Uhr vormittags brannte das Haus der Witwe August Conze, Lehmtorstraße 10, vollständig nieder. Die Brandursache konnte nicht ermittelt werden.

F. Am 2. Mai 3 Uhr vormittags brach in dem Hause des Anstreichers Gustav Ringsdorff, Bogenstr. 5, Feuer aus, wodurch das Gebäude größtenteils zerstört wurde. Auch hier ist die Entstehungsursache des Feuers unbekannt geblieben.

Am gleichen Tage lieferte die Firma Humpert in Brilon zwei neue Glocken für die hiesige Pfarrkirche, welche am Frohnleichnamsfeste zum ersten Male läuteten. Die größte der beiden Glocken, welche als Ersatz für die im Weltkriege 1917 abgelieferte Glocke von der Stadt wiederbeschafft wurde, ist dem Hl. Casparius als dem Namenspatron unseres gegenwärtigen Bischofs Caspar geweiht, während die kleinere nunmehr vierte Glocke, dem hl. Antonius dem Namenspatron unseres gegenwärtigen Pfarrers Dr. Anton Meyer, welcher sie auch gestiftet hat, geweiht ist. Gleichzeitig wurden die beiden alten großen Glocken gereinigt und mit neuen Klöppeln sowie Kugellagern versehen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 2800 M, wovon die Stadt 1800 M getragen hat. Feuer!  Am 5. September 6 Uhr nachmittags entstand in dem Hause des Landwirts Josef Rose, Emmerketorstr. 5, ein Brand, welcher durch spielende Kinder verursacht war und durch welchen das Dach des ganzen Hauses, die Ställe und große Deel ganz zerstört wurden. Die Wohnung war zur Hälfte zerstört.

Am 1. November trat Herr Hauptlehrer Fiorentini nach 38jähriger Tätigkeit an der hiesigen Volksschule wegen Krankheit in den Ruhestand. Die Stelle wurde einstweilen vertretungsweise versehen.

Die Ernte war in diesem Jahre eine gute Durchschnittsernte. Roggen lieferte 10 – 12 Ztr pro Morten. Der Preis für Roggen betrug Ende des Jahres 11,50 M für 1 Ztr. Roggen und 15 M für 1 Ztr. Weizen.

1927

 

Im Januar wurde seitens der Postverwaltung ein Telefonkabel unterirdisch durch die Stadt nach Bühne verlegt und die bisherige oberirdische Drahtleitung entfernt.

Am 16. April trat übernahm der bis dahin in Helmern b/ Peckelsheim tätig gewesene Hauptlehrer Josef Spieker als Nachfolger des im vorigen Jahre in den Ruhestand versetzten Hauptlehrers Fiorentini die Leitung der hiesigen Volksschule. Gleichzeitig wurde der bisher seit dem 1. April 1919 hier als 2. Lehrer tätig gewesene Lehrer Ludwig Evers nach Welda versetzt. An seine Stelle trat der Lehrer Andreas Löffler, welcher hier seit dem 16. 11. 1926 vertretungsweise beschäftigt war.

Am 6. Juli fand hier ein sehr gut besuchtes Kreistierschaufest statt, nachdem in 24 Jahren ein solches hier nicht mehr abgehalten war.

In der Zeit vom 24. bis 28. September fanden in hiesiger Gegend die Herbstmanöver des Reichswehr-Truppenkommandos 2 in Kassel statt, die uns eine Einquartierung von rund 700 Mann und 230 Pferden brachte. 

Die Ernte war in diesem Jahre eine mittelmäßige, deren Einbringung unter großer, anhaltender Nässe litt. Die Preise für Roggen und Weizen bewegten sich um 12 RM für den Zentner.

 1928

 

Im Frühjahr d. Js. wurden im Hagen Linden, Ulmen und Pappeln gepflanzt. Der Emmerketeich wurde mit Pappeln besetzt. Die Straße zum Altengraben erhielt zu beiden Seiten eine Ahornbepflanzung.

Am 22. Juni nachmittags 1 ½ Uhr brach in dem Hause der Witwe Stellmacher Bernard Richter ein Brand aus, der das Haus vollständig vernichtete. Da der Platz zum Wiederaufbau des Gebäudes zu klein war, wurde er von der Stadt erworben und der Witwe Richter ein dreimal größerer Platz am Lehmberge dafür gegeben.

Am 15. Juli fand hier das Sängerfest des Sängerbundes des Warburger Landes unter großer Beteiligung der Bevölkerung statt.

Im Herbst wurde das Dach des Kirchturms vollständig neu mit Weserplatten gedeckt und der Hahn neu vergoldet. Die Dachdeckerarbeiten sind von Dachdeckermeister Ostermann aus Natingen ausgeführt im Auftrage des Herrn Pfarrers Dr. Meyer, der auch die Kosten im Betrage von etwa 6000 RM durch Zuschüsse des Staates und der Provinz erwirkt und aufgebracht hat, sodaß die Stadt selbst nichts dazu beitragen brauchte. Ebenso ist durch den Herrn Pfarrer noch eine weitere kleine Glocke beschafft.

Das Jahr 1928 war für die Landwirtschaft im allgemeinen ein fruchtbares Jahr. Die Ernte war ziemlich gleichmäßig gut. Infolge des trockenen Sommers und Herbstes trat etwas Mäuseplage auf. Der Weizen war vielfach stark befallen und sein Ertrag dadurch beeinträchtigt. Besonders drückten die Landwirtschaft die niedrigen Getreidepreise, die sich für alle Getreidearten um 10 RM für den Zentner bewegten und so in gar keinem Verhältnis stehen zu bevo allen anderen Preisen für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, namentlich auch nicht im Verhältnis zu den hohen Steuerlasten, die heute von der Landwirtschaft verlangt werden.

 

1929

Am 7.März d. Js. begann nach dreimonatlicher anhaltender strenger Kälte das erste Tauwetter dieses Jahres. Der Boden war 1 1/2 m tief eingefroren, sodaß bei Ausschachtungs-arbeiten noch im Mai Frost im Boden gefunden wurde. Ende April wurden im Osthagen wiederum junge Ahornbäume angepflanzt, die von Rodungsflächen aus dem Walde des Gutes Rothenburg bei Manrode geholt sind. Im Frühjahr wurden die Kirchstraße und Mauerstraße kanalisiert.

Im Sommer wurde der Kirchturm von außen gefugt. Die Westseite mit Portal sowie die Erneuerung des Gesimses wurden im Auftrage des Herrn Pastors Dr. Meyer, die übrigen 3 Seiten im Auftrage der Stadt von der Firma

Dionysios & Allerkamp in Istrup Krs. Höxter ausgeführt. Es wurde dabei ein sogenanntes Hängegerüst benutzt, welches an in die Fugen eingetriebenen Eisenhaken hing, wie dies bei Schornsteinbauten üblich ist.

Auch die Strebepfeiler der Kirche wurden im Auftrage der Stadt durch die Maurer Cloidt & Rengel von hier neu gefugt und schadhafte Steine neu eingesetzt. Die fertig gehauenen Randsteine hierzu und zum Turmgesims sind von Wrexen bezogen.

In den Monaten Juni bis Oktober wurde auch das Innere der Kirche neu ausgemalt, wozu Herr Pastor den Gebrüdern Bergenthal aus Oberschledorn bei Kirchhundem Auftrag erteilt hat und auch die Aufbringung der etwa 10000 RM betragenden Kosten übernommen hat.

Am 18. September August wurde hier in dem Hospitalhause Kirchstraße 6, welches bisher als Arztwohnung vermietet war, eine Niederlassung der Barmherzigen Schwestern vom Mutterhause in Hildesheim eröffnet. Das Haus ist vorläufig mit 4 Schwestern besetzt, welche sich mit der Unterhaltung eines Kindergartens, einer Handarbeitsschule, ambulanter Krankenpflege und öffentlicher Fürsorge betätigen. Für letztere Tätigkeit ist wird eine Schwester besonders vom Kreiswohlfahrtsamt Warburg besoldet. Das Haus ist der Genossenschaft durch die Stadtverordnetenversammlung frei zur Verfügung gestellt. Im übrigen arbeiten die Schwestern auf eigene Rechnung und haben auch die Einrichtung des Hauses größtenteils selbst gestellt.

Im Herbst wurde auch noch das alte Zehntenhaus, das sogenannte „steinerne Haus“, welches ebenso wie der Kirchturm aus hiesigen Sandsteinen erbaut ist, von außen an den Giebelseiten neu gefugt und die hohen spitzen Giebel mit neuen Abdeckplatten aus Wrexer Sandstein versehen. Diese Arbeiten sind von denselben Unternehmern wie am Kirchturm ausgeführt. Weil das Gebäude Altertums- und Denkmalwert hat, wurde von der Provinz ein Zuschuß von 1500 RM zu den Instandsetzungskosten gezahlt.

Im ganzen war dieses Jahr ein sehr trockenes Jahr. Zunächst mußte im Frühjahr als Folge des strengen Winters viel Winterfrucht umgeackert werden.

Auf den Rübenfeldern zeigte sich im Anfang des Wachstums zur Pflanzzeit eine hier noch wenig aufgetretene Erscheinung: die Rübenfliege. Diese legt unter die Blätter ihre Eier ab, worauf die Blätter sich zusammenrollen und absterben. Die Rübenfelder sahen infolgedessen aus, als wenn sie verfroren wären. Nach einigen Wochen erholten sich die Pflanzen jedoch wieder durch Ansetzen von neuen Blättern und wuchsen gut weiter.

Die Getreideernte fiel infolge des notwenigsten Regens in der Hauptwachstumszeit noch ziemlich gut aus und wurde bei dem trockenen Erntewetter schnell und gut geborgen.

Der Roggenpreis sank noch unter den vorjährigen und bewegte sich zwischen 7 u. 8 RM je Ztr.

1930

Mathilde Kamzol bei der Heuernte
Mathilde Kamzol bei der Heuernte

 

In diesem Jahre hat die Gemeinde Lütgeneder den Antrag gestellt, diejenigen Grundstücke in der Gemarkung Borgentreich, die sich im Besitz der Einwohner von Lütgeneder befinden, aus dem Stadtbezirk auszuscheiden und der Gemeinde Lütgeneder zuzulegen. Die Stadt konnte hierauf natürlich nicht eingehen; der zuständige Bezirksausschuß bei der Regierung in Minden wird noch darüber zu entscheiden haben.

Im Anfang des Jahres trat unter den Kindern mehrfach Diphteritis auf. Von 11 Erkrankungen verliefen zwei tötlich.

Auf Anregung der Regierung wurde im Laufe des Sommers auf dem Emmerkebruche an der Natzungerstraße eine Schulturnhalle mit Jugendheim gebaut. Die Baukosten wurden größtenteils von der Regierung bezahlt.

Das Hinterhaus des Hospitalhauses Kirchstraße 6 (jetziges Schwesternhaus) wurde umgebaut und für Zwecke des Kindergartens und der Handarbeitsschule, die beide von den Schwestern geleitet werden, eingerichtet.

Die Stadt konnte in diesem Jahre ihr 650jähriges Stadtjubiläum feiern. Da sie nach der Geschichte 1280 durch Bischof Otto von Paderborn gegründet worden ist. Der durch die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage hervorgerufene Zwang zur Sparsamkeit ließ jedoch die Stadt auf eine eigene Feier verzichten. Um nun das Jubiläumsjahr nicht ganz ohne Feierlichkeit vorübergehen zu lassen, wurde auf Anregung des Herrn Pastors Dr. Meyer das diesjährige Schützenfest auf den Johannistag verlegt und mit ihm am 22. u. 23. Juni die Jubiläumsfeier der Pfarrei, Stadt und Schützenbruderschaft, die wie angenommen wird, auf ein gleiches Alter zurückblicken können, verbunden. Die Feier wurde am Vorabend des Festes durch eine Wiedersehensfeier aller Borgentreicher, die sich in großer Zahl aus der Fremde eingefunden hatten, eingeleitet.

Am Festtage selbst war Festgottesdienst in der Pfarrkirche, in welcher als Vertreter des Hochw. Herrn Bischofs Herr Dompropst Dr. Linneborn aus Paderborn die Festpredigt hielt.

Nach dem Hochamt fand die Johannisprozession statt, die sich bei herrlichstem Wetter in diesem Jahre besonders schön gestaltete.

Den Glanzpunkt der weltlichen Feier am Nachmittage bildete der Festzug der Schützen, in dem außer zahlreichen Abordnungen der geladenen Schützenvereine aus Paderborn, Warburg und den umliegenden Ortschaften auch mehrere historische Gruppen aus der Entwicklungsgeschichte unserer Stadt vertreten waren, mit dem eigentlichen Festakt vor dem Rathause. Hier hatte sich, als der Zug dort hielt, eine unübersehbare Menschenmenge gesammelt, vor der dann von der hohen Rathaustreppe herab der Herr Domprobst Dr. Linneborn die Festrede hielt, welche ausklang in der Mahnung zur Treue und Liebe der Heimat. Auch der anwesende Herr Landrat Dr. Böckenhoff von Warburg hielt eine Ansprache mit der Aufforderung, dem ganzen deutschen Vaterlande, mit dem die Gemeinden aufs engste verbunden seien, als der weiteren Heimat die Treue zu bewahren.

Nach Einmarsch des Festzuges in die Schützenhalle verlief das Fest in schönster Weise als erstes Heimatfest.

Nach mehrjähriger Unterbrechung wurde in diesem Jahre die Stadt wieder von 2 Brandfällen betroffen. Am 13. August um 4 Uhr nachmittags wurde die Feldscheune der Witwe Anton Kloidt, Bogenstraße, welche beim Judenfriedhof stand, durch Blitzschlag entzündet und vollständig vernichtet.

Am 17. Dezemer um 5 Uhr nachmittags brannte die Scheune und Stallung der Witwe Franz Stamm, Ziegelei am Schierkweg, die höchstwahrscheinlich durch Kurzschluß in der eigenen Lichtanlage entzündet waren. Durch die Tätigkeit der freiwilligen Feuerwehr konnte das Wohnhaus, das mit dem Stallgebäude zusammenhängt, gerettet werden. Die massiven Umfassungswände von Scheune und Stall blieben stehen.

Anlässlich des 650-jährigen Stadtjubiläums werden 1930 Schützenfest und Johannistag gemeinsam gefeiert. Eine beeindruckende Prozession zieht mit Pastor Dr. Meyer durch den Steinweg. (Aus dem Buch "Alt Borgentreich")
Anlässlich des 650-jährigen Stadtjubiläums werden 1930 Schützenfest und Johannistag gemeinsam gefeiert. Eine beeindruckende Prozession zieht mit Pastor Dr. Meyer durch den Steinweg. (Aus dem Buch "Alt Borgentreich")

Die Ernte war in diesem Jahre in allen Früchten eine ertragreiche. Nur Obst gab es fast gar nicht. Infolge starker Regenfälle in der Erntezeit ist viel Getreide nass eingefahren. Die Preise waren ebenso niedrig, wie im vorigen Jahre; Roggen kostete sogar zeitweise nur 7 – 8 RM je Ztr. 

Der trockene Herbst brachte eine starke Mäuseplage.